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Tom Schmitt, ein Alpen-Treuer: Achttausender braucht er nicht

Zugspitze, Matterhorn, Mont Blanc: Die höchsten Alpen-Gipfel reichen Tom Schmitt. Höher? Muss nicht sein. Aber im Winter gern wilder. 

I von Janine Tokarski


Gerade eben ist Tom Schmitt in Großweil angekommen, freut sich auf einen Abend bei seiner Freundin Sophie Strobel. Plötzlich, es ist  etwa 13 Uhr,  klingelt das Handy. Heute hat er Notdienst beim Verein der Werdenfelser Bergführer. Und die Not ist groß. Drei junge Burschen aus Berlin sind verzweifelt. Sie haben bei ihrer Tour auf die Zugspitze einen Rucksack in eine Gletscherspalte fallen lassen – samt Geldbeutel und Autoschlüssel. 


„Dann pressiert's jetzt aber“, sagt der Krüner mit unverkennbarem Isartaler Zungenschlag, gefärbt von vielen Sommern in Österreich und in der Schweiz.

Tom Schmitt auf dem Obergabelhorn, im Hintergrund das Matterhorn. © Tom Schmitt


Schmitt, Anfang 50, lässt den Motor an und fährt zurück nach Krün. Ausgerüstet mit Rucksack, Seil, Helm und Steigeisen geht’s auf die Zugspitze. „Wir haben grad noch so die letzte Bahn erwischt“, erzählt er. Der Bergführer macht sich mit einem der Urlauber auf den Weg zur Gletscherspalte im Höllental, und steigt hinab in die eisige Tiefe. Innerhalb weniger Minuten hat der Besitzer seinen Rucksack wieder. Nun pressiert's beim Fußmarsch, es wird dunkel. 1500 Höhenmeter geht es insgesamt bergab. Gegen 18 Uhr, dreieinhalb Stunden nach der Bergfahrt, sind Tom Schmitt und der Berliner wieder im Tal.


Vier Tage, viermal Matterhorn: Auch für Bergführer Schmitt "echt hardcore"


Touren, die so viel Kraft erfordern, sind Alltag für den Staatlich geprüften Bergführer. Vor allem im Sommer. „Da freust dich richtig über einen Regentag“, sagt der Anfang 50-Jährige. Denn vier Tage nacheinander Bergsteiger aufs Matterhorn (4478 Meter) zu führen, ist auch für den drahtigen, topfitten Krüner „echt hardcore“. Das Wahrzeichen der Schweiz ist im Sommer seine Heimat. In Zermatt bricht er zu vielen Touren auf.


Eigentlich paradox, findet Schmitt. „Ich wohne in der deutschen Hauptstadt des Bergsteigens und muss zum Arbeiten ins Ausland.“ 

Tom Schmitt beim Klettern am Gardarsee. © Tom Schmitt


Denn in der Schweiz und in Österreich dürfen nur Staatlich geprüfte Bergführer, die hauptberuflich Berge besteigen, führen. In Deutschland machen „Hilfskräfte uns das Leben schwer“. Solche ohne die lange, intensive Ausbildung. Sie bieten Touren deutlich billiger an als selbstständige Bergführer wie Schmitt, der nach seiner Prüfung zum Heeresbergführer bei den Gebirgsjägern in Mittenwald eine zivile Ausbildung zum Bergführer gemacht hat. „Der Job ist kein Zuckerschlecken“, sagt er. Die Saison ist kurz, der Beruf ein Knochenjob, das Risiko hoch.


Bergführer Tom Schmitt: Jedes Jahr einen Kameraden am Berg verloren


In den vergangenen 20 Jahren hat Schmitt im Durchschnitt jedes Jahr einen Kameraden verloren. Nachdenklich schaut er auf das Bild auf seinem Laptop. Darauf zu sehen ist ein Bergführer, der auf einem Gipfel steht, lacht und die Arme in die Luft hebt. „Ihn hat's auch schon erwischt.“ Berufsrisiko. Das wird Tom Schmitt immer wieder schmerzlich bewusst.

Tour in der Heimat auf den Wörner im Karwendel. © Tom Schmitt


Tauschen möchte er die Berge aber niemals gegen ein Büro. Die Alpen sind seine Heimat. Mit ihnen ist er aufgewachsen. Und „den Alpen bleibe ich treu“. Ihn zieht es weder ins Himalaya noch auf die Seven Summits, die sieben höchsten Gipfel der Kontinente. Sein höchster Gipfel bleibt der Mont Blanc (4810 Meter). Höher hinaus will er nicht, Schmitt geht’s nicht um Rekorde, sondern ums Gefühl.


Flitterwochen-Touren mit Maybritt Illner und René Obermann


Als Bergführer heißt es, bescheiden bleiben, das Risiko abschätzen, lieber einen Schritt weniger machen als einen zu viel. Vor allem mit Kunden. „Die Tour muss zum Gast passen“, sagt der Krüner. Er führt keinen aufs Matterhorn, der nicht fit oder trittsicher genug ist.


Und so hatte sich auch René Obermann, Ehemann der TV-Moderatorin Maybritt Illner, zu gedulden. Das Ehepaar verbrachte 2010 die Flitterwochen in Zermatt – einen Großteil der Zeit mit Tom Schmitt. Mehrere Viertausender bestiegen sie zusammen.

Immer wieder ist Tom Schmitt (hier nicht im Bild) mit Miriam Neureuther (r.) und Laura Dahlmeier (hinten) unterwegs. © Tom Schmitt


Ehemaliger Telekom-Vorstand Oberamm erfüllt sich mit Tom Schmitt einen Traum


Kennen gelernt hat der Krüner Obermann bei einer Veranstaltung für Führungskräfte der Telekom. Obermann war bis Ende 2013 Vorstandsvorsitzender des Unternehmens.  Events für die erste Riege von Großkonzernen – Iglu bauen auf der Zugspitze, eine Schluchtüberquerung auf einem Seil oder ein ganzer Kletterparcours – sind Schmitts zweites Standbein.


Mit der Hilfe des Bergführers wollte sich Obermann seinen großen Traum erfüllen: einmal auf dem Gipfel des Matterhorns stehen. In den Flitterwochen übten sie, zum 50. Geburtstag schenkte Maybrit Illner ihrem Ehemann 2013 die Matterhorn-Tour mit Schmitt. Am 1. August 2013 standen die zwei Männer gemeinsam auf dem Gipfel.


Bergführer Tom Schmitt: Silvester in Hongkong, Marsch über die chinesische Mauer


Auch mit den ehemaligen Biathletinnen Laura Dahlmeier und Miriam Gössner, heute Neureuther, trainiert er am Berg Ausdauer und Kraft. „Laura ist eine super Bergsteigerin“, sagt der Krüner. Mit seinen Kunden ist er schon durch die Welt gereist. Silvester in Hongkong und eine Tour über die chinesische Mauer. Dort entlang, „wo schon Etliche abgestürzt sind“, wo die Mauer bröckelt, weit entfernt von den Pfaden der Touristen.

Auch über die Chinesische Mauer führt Tom Schmitt Kunden. © Tom Schmitt


Doch größere Verletzungen hat sich Tom Schmitt am Berg noch nie geholt, „aber oft weißt du ja auch nicht, wie knapp es ist“. Am Jubiläumsgrat schlug 50 Zentimeter neben ihm ein großer Steinbrocken ein. „Wenn der dich erwischt, bist hin.“


Darum gilt: „Koa Gneat“. Der Spruch steht auf dem T-Shirt, das der Krüner trägt. Schmitts Lebensmotto. Immer mit der Ruhe, keine Eile.


Im Winter „mögen wir's a bissi wuider“: Steile Abfahrten, tiefer Schnee


Eiliger hat Schmitt es nur im Winter. Wenn der Tiefschnee und die steilen Abfahrten rufen. 15 Jahre lang arbeitete er als Skilehrer im Zillertal, jetzt geht’s nur noch zum Spaß mit den Brettern ins Gelände. Dort „mögen wir's schon a bissi wuider“, sagt er und lacht.


Mit seinem Spezl Christian Weiermann hat er schon viele Steilrinnen getestet. Die besten Fleckerl zum Tiefschneefahren und Freeriden? Sagt er nicht. Ein ungeschriebenes Gesetz: Die besten Routen verrät man nicht. Doch auch im Schnee muss der Krüner mittlerweile etwas langsamer machen. Eine Fehlstellung der Hüfte macht ihm zu schaffen. Ein künstliches Gelenk hat er schon, das zweite wurde im November 2016 eingesetzt.


Projekt "Lebensroute": Auf der Isar vom Ursprung bis ans Schwarze Meer


Mit seinem Spezl Weiermann hat Schmitt ein Projekt: ihre „Lebensroute“. Die beiden wollen der Isar folgen – vom Ursprung bis zum Schwarzen Meer. Auf dem Wasser, das Fortbewegungsmittel variiert. An der Quelle hat sich jeder einen Stein mitgenommen. Den wollen sie an ihrem Ziel, „als alte Männer“, übers Meer springen lassen. „Mal sehen, wer weiter wirft.“ 

TOM SCHMITTS TOURENTIPP: SKITOUR ZUM REINSCHNUPPERN

  • Lage: Wettersteingebirge
  • Verlauf: Erst über die Piste bergab zur Talstation des Bernadeinlifts. Dort nach rechts, man folgt der meist vorhandenen Spur in den Wald. Nach ein paar Metern Wegweiser zum Stuiben. Die Stuibenhütte liegt auf 1640 Metern Höhe. 
  • Ausgangspunkt: Bergstation der Alpspitzbahn im Classic-Gebiet in Garmisch-Partenkirchen
  • Höhenmeter: 150
  • Gehzeit: ca. 30 Minuten
  • Schwierigkeit: kurz leicht, gut für Einsteiger geeignet
  • Variante: Wer höher hinaus will, kommt von der Hütte in 30 bis 45 Minuten Gehzeit auf den Stuibenkopf (1904 Meter).
  • Die Hütte: geöffnet von 25. Dezember bis 3. April