Bergwelten Natur & Schätze

Der Haserhof und sein Eierschrank: Die etwas andere Landwirtschaft

Im Auto fuhren Daniel und Stefanie Haser Richtung Australien. In Griechenland kehrten sie um. Für ihre Landwirtschaft. Echt regional. Und bio. Ein besonderer Hof im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. 

I von Magdalena Kratzer


Alle sind weg. So schnell konnte Daniel Haser gar nicht schauen. Er kratzt sich am Kopf. Sein Filzhut rutscht zur Seite. Vor ihm steht Christian Patrzek, der Chef vom Fischerhäusl am See in Bad Bayersoien. Er braucht Eier, zehn Stück. Aber der Kühlschrank ist leer. In seinen Gummistiefeln, der khakifarbenen Arbeitshose und dem schwarzen Kapuzenpullover marschiert Haser in den Stall. Zehn Minuten später kommt er zurück, zehn Eier in der Schachtel. Gerade gelegt. Stempel drauf, Schachtel zu. Frischer geht’s nicht.


Seit 2016 Jahren betreiben Daniel Haser und Ehefrau Stefanie, beide Anfang 30, ihre Landwirtschaft auf dem Familienanwesen in Bad Bayersoien im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Dort halten sie 350 Hühner und 30 Mutterschafe, betreiben die größte Streuobstanlage im Ort – auf vier Hektar Land. Wenig Platz für viele Ideen. 56 Hektar misst eine durchschnittliche Landwirtschaft in Deutschland.


Daniel Haser als Vollblut-Landwirt – niemand im Ort hat daran wohl geglaubt.


Daniel Haser: Der Barfußläufer von Bad Bayersoien


17 Jahre war Daniel Haser alt, als seine Mutter starb. Und er alleine klarkommen musste. Das Haus in Bad Bayersoien, das sein Urgroßvater gebaut hat, vermietete er größtenteils, um die Kredite zu bedienen. Eine Ausbildung hat er nicht gemacht. Fürs Leben gelernt hat er unterwegs, sagt Daniel Haser.

Auch Schaffelle und Schaffleisch vermarktet Daniel Haser. © Thomas Sehr


Mit 20 Jahren zog es ihn weg. Nach Berlin, nach Niedersachsen, nach Norddeutschland. Nach Marokko, Spanien, Griechenland. Den größten Teil im Jahr war er unterwegs. Er trug lange Haare, Shirts von Bands wie „Blood for Blood“, „Hatebreed“ oder „Behemoth“ und spielte E-Gitarre. Als er 21 war, lief er für Monate barfuß in Bad Bayersoien herum.


Daniel Haser: Heute trägt er Gummistiefel auf dem Hof


Mit Freunden und seiner heutigen Frau Stefanie baute er sich eine mongolische Jurte im Garten und übernachtete darin, Sommer wie Winter. Einige verkauften sie. „So ein Schmarrn“, haben sie im Dorf gesagt. Manch einer meinte, Daniel Haser habe den Verstand verloren. Einige belächelten ihn.


Übel nimmt der Ammertaler das niemandem, versteht die Skepsis sogar. Schließlich fiel er aus jedem Rahmen. Warum? „Ich hab‘ mich halt ausprobiert.“ Auch wenn Daniel Haser die Haare mittlerweile geschnitten hat, für die Arbeit auf dem Hof Gummistiefel anzieht: Ein wenig anders ist er geblieben. 


Er geht seinen eigenen Weg, Ehefrau Stefanie geht ihn mit.


Stefanie Haser spricht nicht wie eine Ammertalerin – sie ist in Brandenburg geboren und aufgewachsen – und schaut nicht aus wie eine Bäuerin. In ihrem kurzen Filzrock, den gemusterten Cowboystiefeln und dem selbstgestrickten Janker, dazu die langen, bunten Ohrringe erinnert sie eher an eine Künstlerin. Bis vor kurzem arbeitete sie als Referentin für politische Bildung. Jetzt hat sie ein anderes Standbein neben der Landwirtschaft: Sie designt Flyer und Internetseiten für Direktvermarkter wie ihren Mann.

Der Eierschrank vom Haserhof: eine Institution in Bad Bayersoien. © Thomas Sehr


Konzept am Haserhof: Keine Zwischenhändler, keine Subventionen


Direktvertrieb, ohne Zwischenhändler, das ist Daniel Hasers Konzept. Er verkauft, was bei ihm wächst, hauptsächlich an kleine Läden und Privathaushalte im Dorf. Oder die Leute kommen zum Eierschrank.


So nennt man im Dorf den Bauernschrank vor Hasers Haus. Dabei liegen nicht nur Eier drin. Sondern auch ein Korb voller Kürbisse, Dinkelnudeln, Spätzle, Spaghetti, Hühnersuppe und Nudelsaucen, alles selbst gemacht. Ein Bild von einer Flasche Eierlikör steht ganz oben, das Original darf aus Jugendschutzgründen nicht im Schrank stehen. Wer etwas braucht, bedient sich und legt das Geld in die schwarze Kasse.


Der Haserhof im Ammertal: Traum begann in Griechenland


Zum Haser-Sortiment gehören zudem Rindfleisch, das sie mit einem befreundeten Bauern vermarkten, Schaffleisch, Schaffelle, alte Obstsorten von ihrer Streuobstwiese. Mit ihren 350 Tieren sind die beiden die zweitgrößten Hühnerhalter im Landkreis. Dabei schauten die Pläne des Paars vor drei Jahren noch ganz anders aus.


Nach der Hochzeit 2014 wollten die beiden mit ihrem Land Rover Defender über Land vom Ammertal nach Australien fahren. „Geschafft haben wir’s bis Griechenland“, sagt Stefanie und schmunzelt. Dort fing er an, der Traum vom eigenen Bauernhof. Einige Monate lang halfen sie auf einer Farm in Palairos. Beim Ziegenmelken und Olivenernten merkten sie: Das Arbeiten mit den Tieren und der Natur, das war ihre Welt. Was sie suchten, fanden sie zuhause, im Ammertal. Auf ihrem Haserhof.


Der Haserhof: 2015 kommen die ersten 50 Hühner


Aus den Flitterjahren wurden Flittermonate. 2015 kauften sie ihre ersten 50 Hühner. Und gaben sich selbst ein Versprechen: „Wenn es nicht ohne Subventionen geht, lassen wir es bleiben.“ Es geht.

Glückliche Hühner im Ammertal: So müssen die Tiere für Daniel Haser - hier mit Töchterchen Charlotte - gehalten werden. © Thomas Sehr


Die Hasers wollen frei sein von Konzernen, der Politik und Großabnehmern. Darum verzichten sie auf Agrarsubventionen. Als einzige Landwirte im Dorf und wohl auch im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Als eine der wenigen in Europa.


60 Milliarden Euro und damit fast die Hälfte des EU-Haushalts fließen jährlich in die Landwirtschaft. Das Ehepaar verzichtet auf das Geld. Kaum einer versteht das. Daniel Haser findet: „Es muss möglich sein, dass ein Bauer von seiner Arbeit leben kann.“ So wie früher. In der Politik sieht er die Interessen der Bauern nicht vertreten. Abhängig zu sein, gefällt ihm ohnehin nicht. „Wer zahlt, schafft an.“ Er will auf seinem Hof selber anschaffen.


Der Haserhof: Landwirtschaft mit Schweinen, Bienen und vielen Ideen


Die Ideen gehen dem Ehepaar nicht aus. Eine Ausbildung zum Baumwart hat Daniel Haser hinter sich, auch eine zum Landwirt. Er will dazulernen, seinen Überzeugungen aber treu bleiben. „Ich ziehe mir das raus, was für unser Konzept passt.“

Auch Bienenvölker gehören zum Haserhof. Stefanie Haser schaut nach ihnen. © Thomas Sehr


Einige Gleichgesinnte haben er und seine Frau gefunden. Mit einem Freund verkaufen sie Pellets aus gepresster Schafwolle, als Dünger für den Garten. Zwei junge Imker kamen 2018 mit ihren Bienenvölkern auf den Hof, um Honig, Wachs und Met herzustellen. Außerdem legen sich die Hasers ein paar Schweine zu.


Der Haserhof: Qualität, glückliche Hühner und jubelnde Hausfrauen


Im Dorf kennt Daniel Haser jeder. Sein Name und Gesicht stehen hinter den Produkten. Und für Qualität. „Ich kann es mir gar nicht leisten, Schindluder zu treiben.“ Die Eier im Schrank sind dafür das beste Beispiel.


In Bayersoien hat es sich herumgesprochen, dass die Eier von Daniel und Stefanie Hasers Hühnern schmecken. Das sieht man ihnen sogar an. Der Dotter ist orange-gelb. Angeblich ein Zeichen, dass das Ei von glücklichen Hühnern stammt. Sicher ein Zeichen, dass die Tiere viele Pflanzen, Obst und Grünzeug fressen. Die Carotinoide darin sorgen für die gelbe Farbe. Die erfreut die Hausfrauen, sagt Daniel Haser. „Sie jubeln über die Farbe ihrer Spätzle.“


Aus den Bergwelten im Sommer 2018.